Hier ein kleiner Einblick in das Buch
"Lea, das Kind mit der Mütze"

 

Großer Rummel um ein Kind mit Mütze  

Ein Auto nach dem andern fuhr in die Drechslerstraße. Alle hielten in der Nähe des Hauses mit der Nummer 9.
Da standen sie und warteten.
Einige Leute stiegen aus dem Auto aus und liefen hin und her.
Manche redeten miteinander. Andere zückten ihre Handys und telefonierten, sie wollten wohl irgendetwas erfahren, das mit dem Ereignis zutun hatte auf das sie warteten. Man konnte merken, dass, sie alle auf etwas warteten, das sie auf keinen Fall verpassen wollten.

Sie hatten ihre Kameras mitgebracht. Das waren keine billigen, sondern richtig gute und große Kameras. So manch einer hatte nicht nur eine, sondern gleich zwei und einen ganzen Koffer voll Ausrüstung dabei. Man konnte aber auch Notizblöcke, Mikrofone und Aufnahmegeräte sehen. Die Leute vor dem Haus in der Drechslerstraße waren Reporter. Sie kamen von verschiedenen Zeitungen, vom Rundfunk und sogar vom Fernsehen. Etwa 30 Reporter waren da.

Auf wen warteten sie?

Auf einen Fußballstar? Nein, Lemgo ist in der Fußballwelt nicht so bedeutend, dass ein Weltklassespieler anreisen würde.

Ein Popstar? Unwahrscheinlich. Das Haus vor dem sich die Reporter drängten war weder ein Hotel, noch eine Halle für ein Konzert.

Ein Politiker? Was sollte der in der Drechslerstraße wollen? Hier stand noch nicht mal das Rathaus, oder sonst ein wichtiges Gebäude.

Aber es ist schon richtig, diese Leute von Zeitung, Radio und Fernsehen warteten auf eine wichtige Person. Diese Person hatte keine Ahnung, dass sie wichtig war. In kurzer Zeit war sie bekannt geworden, berühmt. Man kannte ihren Namen beinahe auf der ganzen Welt.

Während sich die Reporter in der Drechslerstraße kalte Füße holten, drängten sich einige ihrer Kollegen am Flughafen Frankfurt und hofften ein gutes Bild und ein Interview zu kriegen. –Umsonst!

Für die kleine Person, die für alle so interessant war, fuhr ein Wagen bis zum Flugzeug und holte sie dort ab. Dann wurde sie direkt in einen VIP-Raum gebracht. Das ist der Raum für ganz wichtige Personen. Normalerweise bringt man Politiker, Popstars und andere ganz berühmte Leute dort hin, damit sie nicht jeder ansprechen oder ihnen gar etwas antun konnte. Am 07. Dezember 2004 brachte man ein kleines Mädchen mit Mütze dort hin. All die lauernden Reporter gingen leer aus. Im VIP-Raum war sie beschützt, die blitzenden Kameras konnten sie nicht erschrecken.

Kurze Zeit später verließen zwei Autos das Flughafengelände. Ihr Ziel war die kleine westfälische Stadt Lemgo. In einem dieser Autos saß das kleine Mädchen mit Mütze und bei ihr die Eltern, die sich freuten bald in der Heimatstadt zu sein.

Kaum hatten sie das Städtchen erreicht, war ihnen klar: Jetzt geht der Rummel erst richtig los. Hier war kein Flughafenpersonal, das sie in den VIP-Raum schleuste.

Es war schwierig in die Hofeinfahrt zu kommen, noch schwieriger war der Weg vom Auto zum Haus. Kaum hatten die Reporter die Autos erspäht zückten sie die Kameras.

Der Vater hüllte sein kleines Mädchen in eine Jacke und sie kuschelte sich ganz eng an ihren Papa. Die rosa Streifen ihrer Mütze konnte man entdecken, aber das Gesichtchen hatte sie in Papas Armen versteckt. Der kümmerte sich nicht groß um die Reporter, er ging eiligen Schrittes auf die Haustür zu und verschwand mit seiner Tochter. Die andern Leute aus den beiden Autos folgten ihnen.

Weil die Reporter nicht gingen, kam der Opa nochmals aus dem Haus und beantwortete ein paar Fragen.

Am anderen Tag konnte man in den Zeitungen, im Internet und im Fernsehen das Mädchen mit der gestreiften Mütze sehen, wie es wohlbehütet in den Armen des Vaters ins Haus getragen wurde.

Wer war das kleine Mädchen mit der Mütze? Warum war sie für alle so interessant?

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Auf los, Papa Peter

Peter schaute auf den Farbtopf und überlegte nochmals, was Nelly gesagt hatte. Er wollte das Kinderbett genau nach ihren Vorstellungen streichen, das sollte eine Überraschung werden. Nelly war nämlich schon in Münster in der Klinik. Noch etwa eine Woche, dann sollten die Zwillinge zur Welt kommen. Peter wollte das Kinderbett als Überraschung streichen, damit sich Nelly freuen und die zwei Kleinen sich wohl fühlen würden.

„Dingding, dingding“, am liebsten hätte er das Geräusch überhört. Es war sein Telefon. Er hatte aber keine Zeit für lange Gespräche, er musste das Bett streichen und zwar heute Vormittag, am Nachmittag wollte er zu Nelly nach Münster.

„Block“, rief er in den Hörer. „Hallo Peter“, hörte er seine Frau am anderen Ende der Leitung rufen. „Nelly, alles in Ordnung?“ fragte Peter, machte sich aber nicht wirklich Sorgen, wahrscheinlich wollte Nelly ihm nur sagen, was er ihr noch mitbringen sollte. Aber da sprach sie auch schon weiter: „Die Kinder werden schon heute geholt, bitte komme gleich nach Münster!“

Irgendwie hatte er nicht begriffen, was er hörte. „Ich stehe hier mit dem Farbtopf und will das Bett streichen“, gab er verwirrt zur Antwort. Nelly traute ihren Ohren nicht. Ihr Mann schien nicht begriffen zu haben, was los war. „Peter“, rief sie in das Telefon, “mach den Deckel wieder auf den Farbtopf, packe ein paar Sachen ein und komm, deine Kinder werden heute geboren.“ „Heute“, ganz überrascht rief Peter dieses Wort aus, „aber warum schon heute?“ fügte er fragend hinzu. „Weil sie zur Welt kommen wollen“, gab Nelly zur Antwort, aber sie konnte kaum aussprechen, da hörte sie schon, wie Peter sagte: „Ich bin schon unterwegs!“ „Fahr nicht so schnell, die Ärzte warten auf dich“, bremste sie ihn. Aber er wollte nichts wie los.

Peter drückte den Deckel auf den Farbtopf. Heute sollten seine Kinder zur Welt kommen, er konnte es nicht fassen. Aufregung stieg in ihm hoch. Da fiel ihm wieder ein, dass Nelly gesagt hatte, er solle ein paar Sachen einpacken. Aber was? Unschlüssig und nervös ging er zum Schrank. Er stopfte einige Kleidungsstücke in die Tasche, dann holte er sie wieder heraus. „Peter, reiß dich zusammen!“ sagte er zu sich selbst. Dann legte er ein paar Kleidungsstücke in die Tasche, machte sich selber fertig und rannte mit großen Schritten aus dem Haus und zu seinem Auto.

Eigentlich sollten die Zwillinge erst am 15. August geholt werden. Nelly brauchte einen Kaiserschnitt. So heißt die Operation, die gemacht wird, wenn Kinder nicht durch eine normale Geburt auf die Welt kommen können. Siamesische Zwillinge kommen immer durch Kaiserschnitt zur Welt. Weil sie zusammengewachsen sind, haben sie im Bauch der Mutter eine ungewöhnliche Lage, eine normale Geburt wäre für die Kinder und für die Mutter zu gefährlich. Nelly hatte leichte Wehen, das war ein Zeichen, dass die Kinder kommen wollten, deshalb mussten die Ärzte noch an diesem Tag operieren.

Zum Glück war es ein Samstag, Peter hätte jetzt keinen Berufsverkehr gebrauchen können. Er musste vorankommen. Er hatte es eilig!

Ach, was war da für ein langsamer Fahrer vor ihm. Ein älterer Herr saß am Steuer, bestimmt machte er eine kleine Spazierfahrt in das schöne Münsterland. „Mann, gib Gas!“ brummelte Peter vor sich hin, er hatte keine Zeit für ein Spazierfährtchen, er musste in die Klinik, er wollte dabei sei, wenn seine Kinder zur Welt kamen.

In Münster begegnete ihm ein Radfahrer nach dem andern. „Leute weicht aus“, brummte Peter erneut vor sich hin. Er konnte nicht verstehen, dass jemand Zeit zum Bummeln hatte. Er dachte nur an Nelly und die beiden Kinder und hoffte noch rechtzeitig anzukommen.

Nun sah er den hohen Turm, der zur Klinik gehört. Die Leute nannten diesen Turm Bettenturm, weil sich in ihm ein Krankenhaus mit vielen Betten befindet.

Da war ein Parkplatz, Peter atmete durch, schloss das Auto ab und ging mit eiligen Schritten zu Geburtenabteilung.

„Sind sie Herr Block?“ fragte eine Krankenschwester. Peter konnte nur nicken, er war ganz außer Atem.

Sie führte Peter durch eine Tür, „Operationsbereich, betreten verboten“, stand darauf. Aber für Peter war das Betreten dieses Bereiches nicht verboten. Seine Frau war schon im Operationssaal und er durfte zu ihr.

„Herr Block ist da!“ verkündete die Schwester und sofort wurde diese Nachricht in den Operationssaal weiter gegeben. Nelly atmete durch, sie hatte schon Angst, dass ihr Mann es nicht rechtzeitig schaffen würde, aber nun war er da!

Peter wurde in einen grünen Kittel gesteckt, die Hände musste er mit einer speziellen Lösung sauber waschen. Als er den Mundschutz um hatte sah er wie ein Arzt aus. Nun durfte er zu Nelly in den Operationssaal. Die Ärzte und Schwestern waren bereit, sie warteten nur noch auf Peter und er war nun auch bereit seine Kinder in Empfang zu nehmen. Die Tür ging hinter ihm zu, für alle anderen galt: „Betreten verboten!“

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Ab in die Kiste

Enrico kniete auf einem Stuhl und schaute Nelly interessiert zu. Seit die Zwillinge mit ihren Eltern bei Oma und Opa wohnten war da immer was los. Er stand auf und schaute sich die Wäschestapel an, die Nelly auf einem Bett sortiert hatte. „Was machst du?“ fragte er. „Ich sortiere unsere Sachen“, gab Nelly zur Antwort. „Warum hast du Kartons und Koffer geholt?“ fragte Enrico weiter. „Weil ich packen muss“, gab ihm Nelly zur Antwort aber Enrico war damit nicht zufrieden, er fragte weiter: „Warum musst du packen?“ Nelly schaute ihn lächelnd an, sie wusste, dass er immer weiter fragen würde, deshalb neigte sie sich zu ihm hinunter und sagte: „Weißt du, wir machen bald eine ganz große Reise.“ Nun wurden Enricos Augen groß, das wollte er genauer wissen, bevor er aber etwas fragen konnte, erzählte Nelly auch schon weiter: „Wir fliegen mit einem großen Flugzeug nach Amerika.“ Enrico machte aufgeregt den Mund auf: „Nelly, kommen Tabealea auch mit?“ Nelly setzte sich und nahm den kleinen Mann auf den Schoß: „Ja Enrico“, sagte sie und nickte ihm dabei lächelnd zu, „in Amerika gehen wir mit Tabea und Lea zu einem Doktor, der sich ihre Köpfe anschaut“, Enrico nickte, hüpfte von Nellys Schoß und rannte aus dem Zimmer.

Nelly sortierte und packte weiter. Da meckerten die Zwillinge, es war ihnen langweilig. Zum Glück war Peter schon zu Hause, mit ihm tobten die Mädchen gerne. Er stellte einen großen Karton in das Zimmer. Nelly hielt Tabea fest und Peter Lea, sie schaukelten die beiden ein wenig hin und her, dann ging es mit einem groooßen Schwung ab in die Kiste. Als sie in der Kiste lagen schauten sie erst etwas erstaunt, aber dann lachten und quietschten sie vor Vergnügen.

Enrico hörte seine Cousinen lachen und schon kam er angerannt, er musste sehen, was da los war. Als genug getobt war und Lea und Tabea wieder auf ihrem XXL - Wagen lagen sagte Enrico plötzlich: „Tabealea wird am Kopf pariert, Oma und Opa haben es mir gesagt.“ Nelly sagte nickend: „Ja, sie werden operiert. Wenn sie von Amerika zurückkommen, dann haben sie vielleicht auch solche Köpfe wie du und Adriano“, Enrico nickte, sagte aber nichts mehr.

Auch Nelly und Peter mochten nichts mehr sagen. Komische Gefühle stiegen in den Eltern auf. Die Reise nach Amerika rückte immer näher und sie wussten ja nicht genau, wie es dort sein würde. Trotzdem wollten Nelly und Peter mit Lea und Tabea in die Stadt Baltimore. In dieser Stadt war ein ganz großes Krankenhaus und dort war Dr. Carson. Sie wussten, dass ihre Mädchen nur als getrennte, einzelne Kinder laufen, spielen, zur Schule gehen und all die Sachen machen konnten, die andere Kinder auch machen. Das war der Grund für die Reise.

Nelly hatte jetzt keine Zeit, da zu sitzen und sorgenvoll an die fremde Stadt zu denken, es gab noch so viel zu packen und zu tun. Sie durfte nichts Wichtiges vergessen. Deshalb stand sie auf und machte sich wieder an die Arbeit.

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